Zwei harte Stühle
Text von Birgitt Hölzel und Stefan Ruzas
Illustrationen von AHAOK
Lesedauer: 10 Min.
Als Paar auf die Couch? Schön wär‘s! Die Eheleute Birgitt Hölzel und Stefan Ruzas beschäftigen sich täglich mit Streits, Versöhnungen und Beziehungsglück. Allerdings nicht auf der Couch. Für Apollon berichten die beiden über das Leben auf harten Holzstühlen. Birgitt Hölzel und Stefan Ruzas bieten in ihrer Praxis »Liebling + Schatz« im Münchner Stadtteil Lehel Beratung von Paar zu Paar an.
Es könnte so bequem sein: Wie in Woody Allens Film »Der Stadtneurotiker« zum Beispiel oder in »Der andere Liebhaber« von François Ozon. Oder auch wie in der legendären TV-Serie »Die Sopranos«, in der sogar der mächtige Mafia-Boss Tony Soprano in der Couch von Jennifer Melfi versinkt. Immer mehr Menschen suchen Hilfe bei Psycholog:innen oder Berater:innen. Sie sehnen sich nach Erlösung und danach, nicht mehr zu leiden. Keine Frage, schon seit Jahren leben wir in einem »therapeutischen Zeitalter«. Hat ja sogar die renommierte Soziologin Eva Illouz konstatiert.
Wir wollen uns endlich mal verstehen, wir Menschen. Verstehen, warum wir leben und fühlen und denken und irren. Verstehen, woher all der Narzissmus kommt und wie er wieder weggeht. Warum in unserem Leben vieles plötzlich so »toxisch« oder »burned out« ist. Und warum das Postgeheimnis und die Privatsphäre nur zu existieren scheinen, um verletzt zu werden: heimlich mitgelesene Mails, gehackte Whatsapp-Chatverläufe – verblüffend, wie häufig aus Ahnung Misstrauen und daraus dann Verfolgungsdrang wird, der ins Obsessive kippt. Das Intime verdient angesichts dieser Zustände fachliche Diagnosen und das Unbewusste jede Menge Aufmerksamkeit. Sieht man doch schließlich auch im Kino oder im Fernsehen, dass das geht. Herrlich gemütlich sogar, auf all den Sesseln, Sofas und Couches. Und überhaupt: das Rätsel der Liebe. Ist sie denn nun Gefühl oder doch eher eine Haltung, bitteschön?
Nähe braucht immer wieder Distanz, so lautet eine Lösung in der Paarpsychologie.
In unserer Münchner Praxis Liebling + Schatz, sie ist nur 900 Meter von der Bayerischen Staatsoper entfernt, beschäftigen wir uns seit Jahren mit dem Gelingen und Scheitern von Liebe. Wir sind systemische Paartherapeuten und arbeiten fast ausschließlich von Paar zu Paar. Das schafft ein ganz besonderes Gleichgewicht. Unsere Klient:innen bekommen von uns nicht nur die weibliche und die männliche Perspektive, sondern auch doppelte Aufmerksamkeit. Sie kommen erstaunlich häufig auf Empfehlung von Paaren, die bereits bei uns waren, aber auch auf Empfehlung von Anwält:innen, Psycholog:innen oder Mediator:innen. Und noch etwas ist anders: Wir beide sind auch außerhalb unserer Praxisräume ein Paar, seit 1995 verheiratet und seit 2002 eine Familie mit zwei tollen Töchtern. Meistens glücklich und längst nicht immer perfekt. Die Höhen und Tiefen von Partnerschaften kennen wir aus früheren Erfahrungen gut – vom Verliebtsein über Streit bis Trennungsschmerz. Begonnen hat unsere Beziehung als mehrmonatige Affäre … Auch deswegen stehen in unserer therapeutischen Praxis vier harte Holzstühle und keine Couch. Weil wir wissen, wie unbequem sie sind, die Themen und Probleme unserer Klient:innen – unbequeme Situation, unbequeme Sitzgelegenheit.
Es sind alte Stühle mit stabilen Füßen und Rückenstreben aus Stahl. Bevor sie den Weg zu uns fanden, standen sie jahrzehntelang in einem Bürgersaal einer kleinen Stadt bei Kassel. Abgenutzt sind sie an manchen Stellen, so wie auch die Liebe unserer Klient:innen oft irgendwie abgenutzt scheint. Nur ein Kissen dämpft das harte Holz. Nach Belieben schieben unsere Klient:innen es sich in den Rücken, setzen sich drauf oder legen es beiseite. Manche nutzen es wie ein Schutzschild auf dem Schoß, wie ein Puffer vor Krise oder gar Trennung. Eine mit Daunen gefüllte Hülle, die Halt geben soll. Wenigstens das.