Elon Musk und Peter Thiel gehören zu den einflussreichsten, schillerndsten und kontroversesten Figuren im Silicon Valley. Porträt zweier Finsterlinge, die Netflix nicht hätte besser casten können.

Im März 2000 hatten Elon Musk und Peter Thiel einen Termin im Büro des Investors Mike Moritz, dem Chef der einflussreichen Wagniskapitalfirma Sequoia Capital im kalifornischen Menlo Park. Es ging um die Übernahme ihrer beiden Unternehmen, die später zu Paypal fusionieren sollten. Musk war da mit seinen achtundzwanzig Lenzen bereits ein erfolgreicher Unternehmer, seine Internetbank X.com sorgte für Furore. Es war der Höhepunkt des Dotcom-Hypes. Ein Jahr zuvor hatte Musk sein erstes Start-up veräußert und selbst zweiundzwanzig Millionen Dollar aus dem Verkauf bekommen. Für eine Million davon gönnte er sich einen Sportwagen. Nicht irgendeinen, sondern einen Supersportwagen: einen McLaren F1. Flügeltüren, sechshundertsiebenundzwanzig PS, Höchstgeschwindigkeit über dreihundertsiebzig Stundenkilometer. Der Motorraum mit purem Gold ausgekleidet. Limitierte Auflage. Der Sportwagenhersteller hatte ein paar Dutzend Exemplare gefertigt. Ein deutscher Pharma-Manager hatte Musk das Sammlerstück verkauft.

Als der Formel-1-Bolide 1999 ausgeliefert worden war, schickte der Sender CNN ein Reporterteam und filmte einen schnöseligen, großspurigen Möchtegern-Unternehmer in braunem Sakko, der neben seiner Verlobten Justine in die Kamera sein maliziöses Haifischlachen lachte, das der Raubtierkapitalist bis heute an den Tag legt. Musks Motto: »Go big or go home«.

Wer so denkt, fährt nicht im Nissan zum Investorengespräch, sondern will groß auftrumpfen. Also stieg Musk an diesem Tag im März 2000 in seinen McLaren, und weil sein Konkurrent Thiel in Palo Alto wohnte, was quasi auf dem Weg lag, bot er ihm eine Mitfahrgelegenheit an. Während Musk die Sand Hill Road entlangfuhr, wo das Geld auf der Straße liegt und die Träume höher wachsen als die Eichen- und Zypressenbäume, fragte ihn Thiel immer wieder, was »das Teil« – gemeint war der Rennwagen – denn eigentlich könne.

Davon herausgefordert, drückte Musk aufs Gaspedal und beschleunigte. Zu schnell. Der McLaren raste mit überhöhter Geschwindigkeit auf den vor ihm fahrenden Wagen zu. Musk konnte eine Kollision nur vermeiden, indem er das Lenkrad herumriss. Der McLaren krachte in die Leitplanke und wurde »wie ein Diskus« (Musk) durch die Luft geschleudert. »Ich wusste gar nicht, wie man das Auto fährt«, erinnerte sich Musk später. Nur mit viel Glück überlebten die Insassen den Unfall – Thiel war nicht angeschnallt. Weil der Libertäre den Sicherheitsgurt als Gängelung empfand?

Thiel befreite sich, ganz eigenverantwortlich, ohne die minimalstaatliche Hilfe von Polizei und Feuerwehr aus dem Autowrack und trampte (!) in die vornehmen Büros von Sequoia Capital, wo wenig später auch der Bruchpilot Musk zum Termin eintraf. Eine Erklärung für ihre Verspätung lieferten sie nicht. Der Deal wurde besiegelt. Musk und Thiel fuhren zwar nie wieder zusammen Auto, saßen aber fortan im selben Boot.

Die Anekdote, die Jimmy Soni in seinem Buch »The Founders« (2022) erzählt, sagt viel über die Risikobereitschaft im Silicon Valley, das virile, machistische Gehabe der Tech-Entrepreneure, die mit PS protzen und immer auf der Überholspur sind. Dass aus einem Crashpiloten und Wannabe-Autoposer einmal der Chef des weltgrößten Elektroautobauers (Tesla) werden sollte, entbehrt nicht einer gewissen Komik, folgt aber auch der Logik des Akzelerationismus, den Motor des Kapitalismus immer noch ein wenig schneller laufen zu lassen. Das Facebook-Motto »Move fast and break things« entstand aus diesem Geist heraus. »Kreative Zerstörung« nennen es die Schüler des österreichischen Nationalökonomen Joseph Schumpeter, »Disruption« die Tech-Jünger. Dass man dabei krachend scheitern kann? Egal! Go big or go home.

Vielleicht baut man andere Autos, wenn man auf einem Highway einen Formel-1-Boliden gegen die Wand fährt, und vielleicht hat man auch eine andere Risikowahrnehmung, wenn man, wie Musk, als kleiner pausbäckiger Nerd, in der Schule in Südafrika gehänselt und von einer Gang krankenhausreif geschlagen wurde. Diese Lebenserfahrungen können aber nur bedingt erklären, warum der Tesla-Chef und reichste Mann der Welt seinen Cybertruck – eine Panzerkarosse, die ästhetische Anleihen an dem faschistoiden Futurismus des italienischen Schriftstellers Filippo Tommaso Marinetti nimmt – als »apokalypsesicher« vermarktet. Man fragt sich: In welcher Welt lebt der Mann?

Auch der deutschstämmige Investor Thiel, der 1967 inmitten der Studentenrevolte in Frankfurt am Main geboren wurde, fürchtet sich, wie die anderen »Doomer« im Silicon Valley, vor dem Weltuntergang. Schon seit Jahren sucht der Prepper – bislang vergeblich – nach einem Bauplatz für einen Bunker, in Neuseeland verweigerte ihm eine Gemeinde die Baugenehmigung. Auch als Milliardär ist es nicht einfach, seine Wunschimmobilie zu finden.

Musk und Thiel sind Brüder im Geiste. Die Tech-Milliardäre eint nicht nur die Angst vor dem Weltuntergang, sondern auch ihre Unterstützung für Donald Trump und eine damit verbundene antiwoke, libertaristische Weltanschauung: Thiel, der Demokratie und Freiheit für unvereinbar hält (»Wettbewerb ist für Verlierer«) und Wokeness mit Wahhabismus gleichsetzt, finanziert das Seasteading-Institut, das in internationalen Gewässern schwimmende Inselstaaten errichten will.

Auch Musk fasziniert die Idee eines Soziallabors, wenngleich er noch viel höher hinauswill: Der Anhänger des Longtermismus, einer Denkrichtung, die – radikal konsequentialistisch – die Menschheit auch in zehntausend Jahren vor aller Unbill (also auch vor dem Batterieschrott von Tesla-Autos) bewahren will, plant, bis zum Jahr 2050 den Mars zu besiedeln. Musk gefällt sich in der Rolle des Visionärs, der die Menschheit mit immer neuen Ideen betört: Hyperloop, Gehirn-Computer-Schnittstellen, Marsmission – kein Projekt scheint ihm zu groß.

Als der selbsternannte »Absolutist der freien Rede« 2022 den Kurznachrichtendienst Twitter für vierundvierzig Milliarden Dollar übernahm und damit das Projekt der elektronischen Agora abwickelte, marschierte er demonstrativ mit einem Waschbecken ins Hauptquartier (»Entering Twitter HQ – let that sink in!«), wobei er habituell wie eine Mischung aus Klempner und Gangster wirkte. Ein paar Monate später leuchtete auf dem Dach der Firmenzentrale wie in einem »Star Wars«-Remake das X-Zeichen – der neue Name der Plattform. Musk liebt die Show, die mediale Inszenierung, er braucht die große Geste und die Macht der Bilder, um seine heilsgeschichtlich aufgeladenen Missionen vor Investoren zu rechtfertigen. So ließ er 2018 mit großen Fanfaren einen Tesla-Roadster ins Weltall schießen, um die Traglast seiner »Falcon Heavy«-Rakete zu demonstrieren. Der Weltraum wurde zum Werbekosmos.

Mit seiner Weltraumfirma SpaceX kontrolliert Musk das All; sein Satellitennetzwerk Starlink, welches mobiles Internet zur Erde funkt und unter anderem vom ukrainischen Militär zur Navigation von Drohnen genutzt wird, macht die Hälfte aller Satelliten in der Erdumlaufbahn aus. Starlink hat die militärische Logik des Kriegs verändert. Ohne schnelles Internet hätte die Ukraine keine so effektive Gegenoffensive gegen Wladimir Putins Truppen starten können. Allerdings hängt die Unterstützung zuweilen von den Launen des Gönners ab. So kappte Musk kurzerhand den Zugang zu dem Netzwerk und unterband damit nach eigenen Aussagen einen ukrainischen Drohnenangriff auf ein russisches Kriegsschiff.

Musks Machtdemonstrationen, gepaart mit einer Rhetorik der Superlative (»Gigafactory«), ziehen nicht nur seine Jünger, darunter Krypto-Aficionados und andere Glücksritter, magisch an, sondern beflügeln auch die Allmachtsfantasien derer, die sich nach einem starken Führer sehnen. Mit Starlink und der Plattform X besitzt Musk eine Kommunikationsinfrastruktur, von der Verleger im Printzeitalter nur träumen konnten: Musk kann auf Knopfdruck Börsenkurse bewegen, Oppositionellen das Internet an- und ausschalten und missliebige Journalisten sperren. Wenn er das Megafon für seine Agenda lauter drehen will, schickt er einfach seine Mitarbeiter in den Maschinenraum und lässt den Algorithmus so tunen, dass die Sichtbarkeit seiner Posts um den Faktor tausend gehebelt wird.

Demgegenüber ist die Herrschaft, die Thiel ausübt, subtiler und diskreter. Der »Machtjongleur des Silicon Valley«, wie ihn sein Biograph Max Chafkin nennt, agiert im Verborgenen – als »Hinterzimmerdiplomat« und Winkeladvokat. Thiel ist der Kopf der »Paypal-Mafia«, einem clanartigen Beziehungsgeflecht aus persönlichen und finanziellen Verbindungen, die bis in die 1990er Jahre zurückreichen. Dieses inoffizielle, männerbündlerische Netzwerk pumpte Geld in Start-ups wie Airbnb, Deepmind, Lyft, Palantir und Spotify. Thiel wurde so zum ersten Investor von Facebook und zum Mentor von dessen Gründer Mark Zuckerberg, den er wie ein »Puppenspieler«, so Chafkin, steuerte, manche sagen auch: manipulierte.

Der »Pate des Silicon Valley« (Chafkin) ist eine der mächtigsten Figuren in der Tech-Branche. Zu seinen Protegés gehören Alex Karp, Chef des Überwachungskonzerns Palantir, Oculus-Gründer Palmer Luckey sowie der republikanische US-Vizekandidat J. D. Vance. Thiel kann mit seinen Beziehungsnetzen Start-ups zu Global Playern machen und ganze Medienhäuser zu Fall bringen. So finanzierte er heimlich eine Klage des Wrestlers Hulk Hogan gegen das Klatschportal Gawker und trieb das Medium in den Ruin – aus Rache, weil die Redaktion ihn, Thiel, 2007 als schwul geoutet hatte. Die Klagefinanzierung bezeichnete der Paypal-Gründer als eine seiner »größten philanthropischen Bemühungen«. Sein soziales Engagement besteht darin, Studienabbrechern ein Stipendium von hunderttausend Dollar zu bezahlen, damit diese ein Start-up gründen können.

Man lernt bei dem Mann einiges über die strategische Kunst der Täuschung. Thiel-Schüler Palmer Luckey, der sich mit Kinnbart, Vokuhila-Frisur und Hawaii-Hemd als Prototyp des Nerds präsentiert und einst von der grenzenlosen Freiheit im virtuellen Raum schwärmte, ist heute ein Rüstungsunternehmer, der autonome Waffensysteme für das Pentagon entwickelt.

Es gibt Stimmen, die sagen, dass Big Tech bloß die Wucherung eines militärisch-industriellen Komplexes ist. Dass das Darpa-Projekt »Lifelog«, in dessen Rahmen eine umfassende elektronische Datenbank von jeder Person (»Cyber-Tagebuch«) aufgebaut werden sollte, just an jenem Tag gestoppt wurde, als Facebook gegründet wurde, sorgt unter Verschwörungsgläubigen immer wieder für Spekulationen. Einst waren es soziale Netzwerke, heute sind es Waffen und Radikalisierungswerkzeuge: Die Maschinen, die die Tech-Milliardäre zu beherrschen versuchen, sind außer Kontrolle geraten.

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